«Lesen und Essen – zwei wunderbare Dinge, die viel mehr gemeinsam haben, als sich auf den ersten Blick vermuten liesse. Essen ist Nahrung für den Körper, Lesen für den Geist, der Seele tut beides gut.»

Mit diesem Statement der Schweizer Journalistin Nicole Giger beginnt ihr kulinarisch-literarisches Werk: Ferrante, Frisch & Fenchelkraut. Ein Kochbuch, das eigentlich so viel mehr als das ist und erst kürzlich beim atVerlag erschienen ist. Giger, die dank ihren Blog auch als «MagsFrisch» bekannt ist, hat in ihrem Buch sowohl Rezepte und Reiseanekdoten als auch Texte der Weltliteratur eingebunden. Ein grosses Buch (wortwörtlich!), welches nicht nur die Geschmacksnerven anregt, sondern mit seinen Texten und Illustrationen auch unsere Augen und die grauen Zellen anspricht.

Die grosse Vielfalt

Von Okonomiyaki aus Japan über serbische Sarma bis zum Urner Apfelbrot – der kulturübergreifende und Gerichte-aus-aller-Welt-verbindende Aspekt ist in Nicole Gigers Buch auf jeden Fall garantiert. Ihre Reiseerzählungen verlangen den berühmten Hashtag #goals und bringen einem als Leser immer wieder ein Rezept oder eine Zutat näher, die uns bisher noch unbekannt war. Als Beweis schlage ich zufällig eine Seite in ihrem grossen Buch auf und lese mir die Liste der Zutaten durch: Ich stosse, neben den meist in meinem Kühlschrank vertretenen Lebensmitteln, auch auf folgendes:

  • Bild: atVerlagSpitzkohl
  • Butterrüben
  • Sanddorn Konfitüre
  • Haselnussöl

Was ich in der Küche mit diesen vier Dingen hätte anstellen sollen, war mir vor dem zufällig ausgesuchten Rezept noch nicht klar gewesen. Doch für ein Blech mit ofengeröstetem Gemüse mit Sanddorn-Dressing eignet sich all das. Dass dieses Kochbuch also eine Horizonterweiterung voraussieht, steht fest. Dass es aber meist auch nicht möglich ist, einfach irgendwo aufzuschlagen und dann los zu kochen, ist ebenso klar. Um eines der Rezepte auszuprobieren, braucht es im Voraus erstmal eine durchdachte Einkaufsliste. Ausserdem wäre ein Wissen über die Öffnungszeiten des lokalen Asia-Ladens oder des türkischen Supermarktes auch nicht schlecht.

Ja, die Rezepte benötigen manchmal sehr spezifische Zutaten. Ja, vielleicht hat man beim einen oder anderen Wort, welches man in Verbindung mit diesen liest, sogar Aussprachprobleme. Doch wer offen für Neues ist, lässt sich von diesen spannend klingenden Zutaten nicht abschrecken sondern wundert sich, wie sie denn schmecken.

Essen aus aller (Welt)literatur

Zugegeben, die Erwartung, die ich beim Lesen der ersten paar Seiten gehabt hatte, wurde erst nicht erfüllt. Den Aufbau von Ferrante, Frisch & Fenchelkraut habe ich mir so vorgestellt, dass explizit für Gerichte, die in Klassikern der Weltliteratur auftauchen, Rezepte gefunden und kreiert wurden. Wenn ich allerdings genauer darüber nachdachte, kam mir kein einziges bekanntes, literarisches Rezept in den Sinn. Deswegen wurde mir klar, dass meine Erwartungen wohl fehlgeleitet waren. Was Nicole Giger nämlich in ihrem Buch getan hat, ist passend zu einem Rezept oder einer darin vertretenen Zutat eine kleine Geschichte zu erzählen. Diese verknüpft sie mit einem Autorenzitat, das mal länger, mal kürzer ist.

Um beim Beispiel des herbstlichen ofengerösteten Gemüses zu bleiben, handelt es sich in diesem Kapitel um ein Gedicht von Kurt Tucholsky, das sich der Liebe und dem Hass widmet. Unter anderem eben auch dem Hass, der dem Rosenkohl gelten soll. Diesen rehabilitiert Giger dann jedoch und lässt ihn ebenfalls in ihr Rezept mit einfliessen. Ein kleiner Spoiler: Sie hat recht, Rosenkohl im Ofen zubereitet wirkt Wunder, wenn es um das Entschwinden des Kohlgeschmackes geht, den viele nicht mögen.

Frisch aus dem Ofen – das Gemüse durftet herrlich und wartet nur noch auf sein Sanddorn Dressing

Freiheit und Experimentierfreudigkeit

Noch im Vorwort fordert Nicole Giger dazu auf, ihre Rezepte nach eigenen Wünschen des Zubereitenden anzupassen. Die Gerichte müssen nicht starr genauso gekocht werden, wie sie es vorschlägt, sondern so, wie es zu den eigenen Vorlieben und manchmal eben auch vorhandenen Zutaten passt. Das Schöne ist, es funktioniert deswegen trotzdem und erinnert somit nicht an den Kuchen, der gleich ruiniert ist, wenn man sich nicht genau an die Angaben im Rezept haltet. So verwende ich statt griechischem Joghurt einfach normalen Nature Joghurt und rechne den einen oder anderen Teelöffel eines Gewürzes gleich mal zwei.

Kochen hat grundsätzlich immer auch mit Experimentieren zu tun. Manchmal kommt es von alleine, wenn einem ein Rezept noch nicht passt, wie es ist, und du beginnst, Dinge abzuändern. Oder aber du wirst gleich dazu aufgefordert, was deine Kreativität und den Input deiner Geschmacksnerven anspricht.

Linsensuppe à la Mags Frisch

Schlussendlich…

… haben mich in Form dieses Werkes gleich mehrere Dinge auf einmal angesprochen. Zum einen die vielfältigen Rezepte, die mir hoffentlich noch lange Zeit neue Inputs für mein Koch-Repertoire geben können und mich dazu motivieren sollen, mir unbekannte Zutaten zu kaufen und herauszufinden, was ich alles damit anstellen kann. Zum anderen sind da natürlich Gigers Berichte von Reisen in Länder, von denen ich bisher nur gehört habe. Ich habe zugleich Fern- und Heimweh, wenn ich ihre Texte über Düfte aus der iranischen Küche und Wanderungen mit Sicht auf den Lago Maggiore lese. Nicht zu unterschätzen sind ebenfalls die Anekdoten. Beispielweise jene über die zurechtgemachten, Brunch-Wütigen, jungen Leute. Sie treffen sich an den Wochenenden (trotz der vergangenen Partynacht) im Lieblingslokal, um zu brunchen, diskutieren und Kaffee zu trinken. Möglicherweise sagt mir eben dies besonders zu, weil ich auch mich selbst darin wiedererkenne.

Doch selbst wenn dem nicht so wäre und kein eigener persönlicher Bezug im Buch von Nicole Giger gefunden werden kann, so steht fest, dass das Buch an sich eine sehr persönliche Angelegenheit ist. Selbst, wenn wir sie noch nie sprechen gehört haben, ist die Stimme von Nicole Giger klar zu hören. Ihre Art, die Dinge zu beschreiben, gibt einem das Gefühl, dass dieses Kochbuch wirklich von einem Menschen verfasst und nicht einfach von Firma X auf den Markt gebracht wurde.

Ein Buch von Nicole Giger, aka Mags Frisch – dass vielleicht ja auch ein Buch für dich sein könnte?

Bildquellen

  • Bildschirmfoto 2019-11-11 um 10.52.48: atVerlag
Geschrieben von:

"Write it. Shoot it. Publish it. Crochet it. Sauté it. Whatever, Make!" - Joss Whedon

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